Aegidiikirche

Aegidius, der Sohn vornehmer griechischer Eltern, führte zu Beginn des 8. Jh. in der Gegend des Rhonedeltas das Leben eines frommen Einsiedlers. Der Legende nach wurde Aegidius von einer Hirschkuh ernährt, die er von einem Felsen gerettet hatte. Auf Bitten eines Westgotenkönigs, der bei der Jagd auf die Hirschkuh zu Aegidius gelangte, gründete dieser ein Kloster nach den Ordensregeln des hl. Benedikt. Zwischen 720 und 725 gestorben, gehört Aegidius zu den 14 Nothelfern. In der Kunst wurde die Hirschkuh zu dem Heiligenattribut, welches ihm in allen Darstellungen beigefügt ist.

aegidiikirche-grundriss
1. Chorwand mit der Darstellung Christi als Hoherpriester
2. Szenen aus dem Alten Testament im Gewölbe über dem Chorraum
3. Darstellung der vierzehn Nothelfer auf dem Triumphbogen
4. Bilder der Verehrung des Altarssakramentes und der Geschichte der Kirche unter den Langhausfenstern
5. Taufstein (1557) vor dem rechten Seitenaltar
6. Bildnis des hl. Aegidius (15.Jh.) in der Wandnische hinter dem Taufstein
7. Barocke Kanzel mit der Darstellung der Überreichung der Ordensregeln durch Christus an Franziskus gegenüber dem Taufstein
8. Moderner Zelebrationsaltar mit den Reliquien des hl. Bonifatius und der Heiligen Ida von Herzfeld

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Baugeschichte

1725 -1729: Bau der heutigen Kirche
1728: Einweihung der Kirche
1811: Auflösung der Ordensgemeinschaft der Kapuziner
1813-1821: Verwendung der Kirche als Zeughaus der preußischen Militärverwaltung
1823: Nutzung als neue Pfarrkirche der Gemeinde St. Aegidii

Die heutige Aegidiikirche geht zurück auf die Klostergründung der Kapuziner, die Anfang des 17. Jh. aus Flandern nach Norddeutschland kamen und 1611 auf dem Pfarrgebiet von St Aegidii eine kleine Kirche bauten, die sie der Gottesmutter und der Mutter Anna weihten.

Die ursprüngliche im Spätmittelalter im Stile der Gotik umgebaute romanische Pfarrkirche befand sich auf dem Gelände des heutigen Aegidiimarktes. Nachdem der Turm der Kirche am 2. Mai 1821 durch Baufälligkeit eingestürzt war und die Kirche völlig zerstört hatte, wurde die Gemeinde in die nach der Klosteraufhebung des Kapuzinerklosters im Jahre 1811 leer stehende Kapuzinerkirche verlagert. Der heutige Kirchbau entstand in den Jahren 1725-1729 nach den Plänen von J.C. Schlaun (1695-1773). Am 5. Dezember 1728 erfolgte die feierliche Konsekration unter dem Patronat der Gottesmutter und des hl. Franziskus. 1811 wurde das Kloster unter dem Landesherrn Napoleon aufgehoben, die Patres wurden vertrieben. Von 1813 bis 1821 diente die Kirche als Zeughaus der preußischen Militärverwaltung, bis sie 1823 zur neuen Pfarrkirche der Gemeinde St. Aegidii wurde.

Bei der Übertragung des Patroziniums wurde der Titel der Marienkirche beibehalten und Aegidius der zweite Patron. Diese Festlegung des Patroziniums wurde 1961 von der Ritenkongregation erneut bestätigt. Heute ist die Gemeinde St. Aegidii eingebunden in die Großgemeinde St. Lamberti.

Außenansicht

Schmucklos zeigt sich der hohe rote Ziegelbau der ehemaligen Klosterkirche. Lediglich die Westfassade aus Baumberger Sandstein präsentiert sich als Schauseite der Kirche. Aber auch hier beeindruckt der Entwurf von J. C. Schlaun durch seine Schlichtheit, wie sie einer Klosterkirche angemessen erscheint. Nur das hochgezogene Rundbogenfenster über dem Portal und die aufgelegten Bänder verleihen der Fassade eine klare Gliederung.

Das stumpfe Giebeldreieck wird durch das Kapuzinerkreuz mit der Lanze und dem Rohr mit dem Essigschwamm gekrönt. Die beiden Ecken des Giebels werden durch eine Blumenvase geschmückt. Über dem Portal findet sich das Wappen des Grafen Ferdinand von Plettenberg mit der Inschrift: „Ipsi Gloria et Imperium – Ihm (Christus) sei die Ehre und die Herrschaft.“

Nach Osten schließen sich von außen kaum erkennbar neben der Sakristei die Marienkapelle und die Ölbergkapelle an, die durch einen eigenen Eingang von außen erreichbar sind.

Innenansicht

Innenraum

Innenraum

Der einschiffige, säulenlose Kirchenraum mit seinen vier querrechteckigen kreuzgewölbten Jochen, die durch breite Gurtbögen voneinander getrennt sind, erweckt den Eindruck einer geräumigen Halle. Der Kirchenhalle vorgelagert ist ein quadratischer durch einen Treppenaufgang erhöhter Chorraum. Doppelt vorspringende Pfeiler vor den Seitenwänden fangen den Schub des Gewölbes ab.

Ausstattung

Decke über dem Chor

Decke über dem Chor

Der erste Eindruck wird geprägt durch die Ausmalung im Stil der Nazarener-Zeit.  Die Nazarener, die weitgehend dem Katholizismus nahe standen, strebten eine Wiederbelebung der Kunst im Geiste des Christentums an. 1843 wird St. Aegidii Gebetsraum der „Bruderschaft der ewigen Anbetung des Allerheiligsten Altarssakramentes“. Das Betreiben, die ungeschmückte, nüchterne Klosterkirche zu dem Thema des Altarssakramentes auszumalen, ging auf Pfarrer Kappen zurück, der 1855 die Vorbereitungen in die Hand nahm. Nach Verhandlungen mit dem Nazarener-Künstler Eduard von Steinle (1810-1886) konnte dieser 1858 die ersten Entwürfe vorlegen. Eduard von Steinle hat wohl die Bilder der Seitenaltäre, auf denen die Pfarrpatrone dargestellt sind, selber geschaffen, während die übrigen Ausmalungen von seinen Schülern unter seiner Aufsicht erfolgten.

Die Chorwand zeigt den Hohenpriester Christus im Kreise seiner Engelschöre. Opferszenen aus dem Alten Testament schmücken das Gewölbe über dem Chorraum. Auf dem Triumphbogen sind die vierzehn Nothelfer dargestellt, zu denen auch Aegidius gehört, mit dem Lamm in der Mitte als dem Symbol der triumphierenden Kirche. Die Bilder unter den Langhausfenstern zeigen Szenen der Verehrung des Altarssakramentes in der langen Geschichte der katholischen Kirche.

aegidiikirche-taufbecken

Taufstein vor dem rechten Seitenaltar

Der Taufstein aus Baumberger Sandstein vor dem rechten Seitenaltar dürfte wohl zu den ältesten Kunstwerken der Kirche gehören. 1557 von dem münsterischen Bildhauer Albert Reinink im Stile münsterischer Renaissance geschaffen, hat er wohl den in den Wiedertäuferwirren 1535 zerstörten ursprünglichen Taufstein ersetzt. Auf einem kunstvoll gestuften sechseckigen Fuß wird von sechs Delphinen ein Knauf getragen, der in niederdeutscher Sprache einen Spruch zum Taufgeschehen enthält. Ein mit Löwenköpfen verzierter Zylinder trägt die Taufschale, die mit fünf Reliefs gestaltet ist, welche Szenen aus dem Leben Jesu wiedergeben, und einem Relief, das den Kirchenpatron Aegidius zeigt. In seiner ganzen Form trägt das Taufbecken den Charakter eines kunstvoll gearbeiteten Kelches. In der Wandnische hinter dem Taufstein befindet sich ein Bildnis des hl. Aegidius aus Stein, das in der zweiten Hälfte des 15. Jh. in  Frankreich entstanden ist. Dargestellt ist Aegidius auch hier mit der ihn begleitenden Hirschkuh.

Barocke Kanzel

Barocke Kanzel

Die genaue Entstehungszeit der barocken Kanzel, die dem Taufstein gegenübersteht, ist unklar. Entwurfzeichnungen von J. C. Schlaun weisen darauf hin, dass die Kanzel wohl für die neue barocke Klosterkirche geschaffen wurde. Die ganze Kanzel, die auf der Nordseite einem Wandpfeiler vorgesetzt ist, in welchem sich auch der Aufgang befindet, ist aus Eichenholz geschnitzt. In der Farbgebung dominiert der warme Holzton, der nur an wenigen Stellen sparsam mit Goldmarkierungen überdeckt ist.
Dargestellt ist in lebensgroßen Figuren die Szene, in welcher Christus dem Franziskus die Ordensregeln überreicht. Über der Kanzelbrüstung erscheint ein Engel, der ein Kreuz hält. Unter dem wallenden Baldachin, der von Engeln gehalten wird, befindet sich eine Darstellung des Heiligen Geistes in der Gestalt einer Taube, die von einem Strahlenkranz umgeben ist. Bei der Auflösung des Klosters konnte Clemens August Droste zu Vischering die Kanzel erwerben und schenkte sie 1823 der Gemeinde.

Der moderne, von Heinrich Bücker geschaffene Zelebrationsaltar aus Alabaster wurde zur 800-Jahrfeier der Gemeinde 1983 feierlich konsekriert. Reliquien des hl. Bonifatius und der hl. Ida von Herzfeld sind in den Altar eingelassen. Dargestellt ist auf der Vorderseite des Altartisches Christus als der Weltenherrscher. Löwe und Lamm zu seinen Füßen symbolisieren sowohl die Macht als auch das Leiden und die Erlösung. Maria und Johannes der Täufer flankieren die Christusfigur im Zentrum. Die Seitenwände des Altars zeigen die Apostelfürsten Petrus und Paulus. Die Rückseite ist drei großen Frauengestalten gewidmet. Neben der seligen Adelheid, der ersten Äbtissin des Aegidii-Klosters, finden sich die hl. Ida von Herzfeld und die selige Ordensfrau Maria Droste zu Vischering.

Durch die Ölbergkapelle mit dem Eingang auf der Nordseite der Kirche, in welcher sich eine lebensgroße Darstellung der Ölbergszene von H. Fleige befindet, gelangt der Besucher in die Marienkapelle, die sich direkt an den Chorraum anschließt. Mittelpunkt der Marienkapelle ist ein Bildnis der Schmerzensmutter, welches 1863 der Münsteraner Bildhauer J.B. Allard nach einem Entwurf von Steinle geschaffen hat. Zierlich wirkt der Dachreiter, der sich über den beiden Kapellen erhebt und als Glockenturm dient.